Wir sind wieder weiter gezogen und verlassen gegen 12:00 Uhr den chinesischen High-Speed-Train ShenZen zum letzten Mal am Bahnhof von Suzhou (gesprochen: Su-Tscho). Laut unserem Plan werden wir nur von einem Fahrer abgeholt, der uns zum Hotel bringt, dort treffen wir unseren Guide, der den Rest des Tages mit uns verbringt. Der vermeintliche Fahrer stellt sich als Charly vor, ich höre ihm zuerst nicht richtig zu, da die Fahrer bisher kaum englisch sprachen. Irgendwann merke ich aber, das er doch so etwas wie englisch spricht, mit ganz schwerem chinesischen Akzent. Wir gehen also zum Auto (mit Fahrer) und erfahren von Charly, dass er unser Guide sei und das er andere Vorstellungen vom heutigen Tage hat. Er erzählt uns auf der Fahrt etwas über die Geschichte von Suzhou, einer alten Siedlung in einer wasserreichen Gegend, an einem riesigen See mit vielen Kanälen innerhalb, weshalb man den Ort auch Venedig des Ostens nennen würde. Seine Sätze klingen, als würde er aus einem Reiseführer zitieren, was er auch tut, wie wir später noch merken sollten.
Wir steigen an der Pingjiang Road aus, einer schmalen Straße entlang einem dieser Kanäle, hier gibt es dutzende Souvenirgeschäfte und Restaurants, in einem gehen wir erst mal zum Lunch, soweit habe ich Charly verstanden. Dafür musste ich aber drei mal nachfragen. Während unsere bisherigen Guides alle flotten Schrittes unterwegs waren, so dass wir sie oftmals bremsen mussten, macht Charly winzige Trippelschritte und spielt währenddessen ununterbrochen an seinem Smartphone. Ab und an wird er noch langsamer oder bleibt unvermittelt stehen, so dass ich ihm mehrfach in die Hacken laufe. Nach unsäglich langsamen mehreren hundert Metern verkündet er vor einem Restaurant freudestrahlend, dass wir schon da wären. Wir wählen an einer Art Buffet zwei Gerichte für uns aus, Charly fragt ganz ungläubig, warum nur zwei... Also setzen wir uns und er setzt sich zu uns an den Tisch. Das hat bisher noch keiner der Guides gemacht, außer bei den Street-Food-Safaris. Kaum ist das erste Gericht am Tisch, langt Charly fleißig zu, wir schauen uns ungläubig an, drum waren ihm zwei Gerichte wohl zu wenig. Er hat sehr chinesische Tischsitten, aber wir versuchen uns erst mal nichts anmerken zu lassen und essen auch. Nachdem Charly auch vom zweiten Gericht, der Ente gekostet hat, ist er wohl gesättigt und möchte weiter. Wir verweigern und verspeisen, was er uns übrig gelassen hat. Er beginnt herzhaft zu gähnen und wenn er gerade mal nicht gähnt, rülpst er lautstark. Als wir fertig sind, begleitet er mich zum Cashier Desk und lässt mich bezahlen, anschließend schickt er uns nach draußen. Wir gehen aber nicht ums Eck und ich sehe, dass er sich eine Quittung für das Essen ausstellen lässt, was er damit wohl vor hat?



Trippelnden Schrittes geht es weiter, irgendwann überholen wir ihn entnervt und geben nun unsererseits das Tempo vor. Wir machen eine sehr kurze Bootsfahrt über einen der Kanäle und besuchen zwei historische Anwesen, deren Gärten zum UNESCO Welt-Kultur-Erbe gehören. Preis und dargebotene Leistung klaffen aber (vor allem bei der Bootsfahrt) weit auseinander. Charlys Erklärungen zu alledem sind wiederum wie auswendig gelernt, auf spezielle Fragen kann er gar nicht oder nur bruchstückhaft antworten. Er hat dabei die Angewohnheit mitten im Satz zu unterbrechen, wenn er nicht weiter weiß, haut er sich mit der Faust an den Kopf um anschließend die Story von hinten neu zu erzählen... soweit er halt kommt.

Wir besichtigen zunächst den Master of Nets Garden ...



... und anschließend den Liu Garden oder Lingering Garden .



Irgendwann haben wir es überstanden und fahren zum Hotel, auf der Fahrt möchte Charly 250 Yuan für die Eintrittsgelder haben, da ich aber der Meinung bin, dass er heute schon genug Reibach gemacht hat, rechnen Charly und ich noch mal gemeinsam nach. Und siehe da, wir kommen auf 240 Yuan. War ja nur ein Versprecher.
Das Hotel ist ein sehr knuffiges kleines Haus mit einem sehr schönen Zimmer, mit Blick direkt auf einen Kanal. Gegenüber auf der anderen Wasserseite gibt es Bars und Restaurants. Zuerst müssen wir uns bei einem Drink erholen, dann speisen wir in einem winzigen Lokal, obwohl uns wieder niemand versteht ist das Essen heute hervorragend. Gestern war wirklich einfach mal daneben gegriffen, heute war wieder ein glücklicherer Tag.



Mit Livemusik und ein paar Cocktails klingt der Abend aus.