Glückskeks

The Great Wall

Dienstag, 21. Mai

Wir werden heute schon sehr früh abgeholt und müssen zuvor auch noch auschecken, da wir außerhalb übernachten. Das Gepäck lassen wir aber im Hotel, wir werden zurückkehren. Das Frühstück fällt daher kurz aus, wir müssen wieder bis zur Hauptstraße, diesmal alleine, wir haben nur einen Fahrer, keinen Guide.
Es geht los, die Fahrt soll etwas mehr als 2 Stunden dauern, wir fahren zur Jinshanling Great Wall , etwa 150 km nördlich von Peking, einem der besterhaltenen Teile der Großen Chinesischen Mauer, die aber trotzdem nicht so überlaufen sein soll.
Nachdem wir den Pekinger Verkehrsstau überwunden haben, drückt Peter (unser Fahrer, so steht`s zumindest auf einer Visitenkarte, die er mir in die Hand gedrückt hat) richtig auf die Tube. Also so richtig geht nicht, weil sein Auto anscheinend bei 130km/h abriegelt. Das stört ihn aber nicht, also rumpelt er permanent lustig in den Begrenzer, was die Fahrt ziemlich unruhig macht. Er trinkt auch andauernd aus irgendwelchen Plastik- oder Pappdosen undefinierbares Zeugs, als das alles aufgebraucht ist, zaubert er irgendwo noch `ne Dose chinesisches Red Bull hervor, der Gummibärengeruch ist der gleiche, wie beim Original. Als das dann auch aufgebraucht ist, hat er zusehends Probleme, seine eh schon schmalen Augen offen zu halten. Das macht mich jetzt dann irgendwie nervös und als er dann irgenwann immer langsamer wird und nur noch ca. 70 km/h fährt, merkt er wohl selber, das was nicht stimmt. Er sieht im Spiegel, dass ich ihn permanent beobachte, als ich erwäge ihn anzusprechen, macht er erst sein Radio an und fängt dann selber ein Gespräch mit uns an, so gut es eben geht, sein Englisch ist übersichtlich...
Auf jeden Fall hilft ihm das wieder auf die Füße und wir kommen nach etwa 2 1/4 Stunden wohlbehalten an. Zunächst brauchen wir Tickets, Peter kommt mit, und radebrecht ein wenig mit uns, der Ticketverkäufer kann nur mandarin. Wir müssen uns entscheiden, ob wir mit einer Seilbahn abkürzen wollen, entscheiden uns aber für die harte Variante, also per pedes den Berg rauf. Peter verabschiedet sich hier, er legt sich wohl erst mal ein bisschen ins Auto und verspricht in drei bis vier Stunden am vereinbarten Zielort zu sein.
Wir fahren noch ein Stück mit einem kleinen Shuttle Car, bis wir am Eingang, dem Mid-Gate der Jinshanling Great Wall ankommen. Es wird noch ein Hütchen für die Dame erworben (hier gibt`s noch `ne Geschichte dazu, die kommt später mal, wenn ich mal Zeit habe ) und dann solls losgehen. Sofort heftet sich eine alte Chinesin an unsere Fersen, labert uns voll, will uns irgendwelche Bücher verkaufen und offeriert ihre Dienste als Guide. Ich hatte davon im Reiseführer schon gelesen. Wir denken uns nichts und glauben, dass sie an der Schranke, wo man die Tickets vorzeigt, aufgibt. Denkste, die darf einfach so durch und verfolgt uns weiter. Nach etwa 100 Metern stehen drei (undefinierbar) Uniformierte rum, einer hat `nen Fotoapperat, wir glauben zuerst, das wir die drei gemeinsam fotografieren sollen. Aber nö, will doch der Burschi uns mit seinen zwei Haudegen fotografieren, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das kostenlos abspielen würde. Die olle Hexe mischt auch wieder mit, ob sie uns nicht alle gemeinsam fotografieren sollte, wir gehen einfach weiter, sie folgt uns weiterhin, bis uns der Kragen platzt. Wir wissen, dass es unhöflich ist, gegenüber älteren Chinesen laut zu werden, aber es hilft einfach nichts anderes. Das begreift sie dann, und zieht beleidigt ab, nicht ohne uns ein paar lautstarke Worte nachzusenden. Und endlich erreichen wir den ersten Abzweig, an dem es interessant werden soll.

Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall

Wir müssen uns hier zwischen einer langen und einer mittellangen Tour entscheiden, nachdem wir die kurze (via Seilbahn) ja schon ausgeschlossen hatten. Wir wählen die mittlere und tun gut daran. Es geht los auf asphaltierten Wegen aber schön ruhig und einsam durch den Wald. Von wegen ruhig, auf einmal kommt die volle Ansage aus Lautsprechern, die hier überall am Aufstieg montiert sind, was erlaubt ist und was nicht, der zweite Teil ist der deutlich längere. Nachdem das Ganze in mandarin und englisch vorgetragen wurde, folgt Volksmusik, chinesische. Mitten im Wald. Nach einer kurzen Unterbrechung, geht das Trara von vorne los, bevorzugt, wenn wir an einem der Lautsprecher vorbei laufen. Und wenn schon mal Strom da ist im Wald, hängt man auch noch `ne Kamera dazu, Big Brother is watching you...always and everywhere.
Dann wirds stufig und anstrengend und dann sind wir oben...   wow...

Jinshanling Great Wall  Jinshanling Great Wall

Hier beginnt für uns eine Wanderung, wie wir sie noch nie erlebt haben. Die Treppen sind manchmal so steil, dass man tatsächlich auf allen vieren hoch muss, die Stufen so hoch (vier Ziegel!), dass man das kaum erklimmen kann, noch schlimmer sind die Anstiege ohne Stufen, man findet kaum Halt, die Steine sind zudem auch noch ziemlich glatt. Und das Ganze dann auch jedes Mal wieder runterwärts... Und quasi nebenbei immer wieder das atemberaubende Panorama hier.
Es ist unbeschreiblich, auch die Bilder geben das nicht zu 100 % wieder.

Stimmt, man muss das einfach live gesehen haben.
Die "alte" Lady haben wir dann übrigens während unserer Wanderung auf der Mauer nochmal getroffen. Sie hatte anscheinend ein Opfer für ihre Dienste gefunden. Das war ja sehr schön für sie, aber was mich stutzig machte war, dass sie uns aus der entgegengesetzten Richtung entgegenkam. Wie zum Geier ist die so schnell dahin gekommen, wo wir uns doch gerade die endlos vielen Stufen rauf und runterquälen?

Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall Jinshanling Great Wall

Jinshanling Great Wall

Jinshanling Great Wall

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Jinshanling Great Wall

Jinshanling Great Wall

Wir sind ganz ordentlich erledigt, auch der Abstieg war nicht ohne, 1.100 Meter treppab gehen in die alten, morschen Knie. Alles in allem war unsere Wanderung nur etwas über 6 km, aber lauf das mal, bei 27°C und immer hoch und runter. Die Hitze spürt man allerdings weniger, da es ziemlich windig war.
Unser Fahrer sitzt mit anderen im Schatten vor einem Kiosk, der Besitzer desselben offeriert uns ein "cold beer", wir lehnen das ab, was sich als tragischer Fehler erweisen soll. Wir fahren von hier nicht wieder nach Bejing sondern etwa 90 km nördlich nach Chengde (spricht man: Schang-de, wobei das e am Ende ganz kurz oder fast tonlos gesprochen wird). Beim Reinfahren in die 3,5 Millionen- Einwohner-Stadt fragen wir uns, wo wir hier gelandet sind, eine reine Industriestadt, bestehend aus Fabriken, sowie alten und neuen Hochhäusern (damit meine ich keine 5 geschossigen Häuschen wie bei uns sondern 20+ Etagen). Die Lücken dazwischen, sofern vorhanden, werden von Bruchbuden und Hütten aufgefüllt. Wir fahren wieder raus aus dem betonenen Alptraum, nur um ein paar Kilometer weiter in das gleiche Szenario einzufahren. Entweder teilt sich die Stadt in mehrere Teile oder Peter fährt uns ein wenig im Kreis herum. Irgendwann kommen wir an einen ziemlich breiten Fluss, hier schaut`s etwas freundlicher aus und dann sind wir auch schon im Hotel. Ein 10-geschossiges Haus, die Lobby ziemlich modern, laut Aushang 4 Sterne, der Bunker. Aber dann. Hinter der Rezeption stehen zwei Mädels, die uns vollständig ignorieren, Peter quatscht auf die ein,  grinst sein Dauergrinsen, die Mädels schütteln den Kopf. Peter zückt eines seiner zwei Smartphones und telefoniert, dann schaltet er laut und eine Stimme aus dem Smartphone schnattert auf die beiden planlosen Rezeptionistinnen ein. Irgendwann grapscht eine der beiden Schnepfen nach unseren Pässen, ohne ein Wort und ohne mich anzusehen. Sie weiß nichts damit anzufangen, es kommt eine Dritte die ihr erklärt, wie man einen Pass auf einen Kopierer legt. Peter bedeutet uns in der Lobby Platz zu nehmen, unsere Pässe bekommen wir nicht wieder. Nach weiteren 20 Minuten drückt er uns einen kleinen Hotelpass mit einer room card und zwei breakfast voucher in die Hand, kein warm welcome oder eine kleine Einweisung, nothing. Ok, dann halt nicht. Peter bringt uns noch zum Aufzug, erklärt uns, dass wir einen big room mit einem big bed hätten, die hatten wohl kein Zimmer für uns reserviert, deshalb bekommen wir nun eine Suite. Soll uns recht sein, Peter verschwindet, er übernachtet in einem billigen Hotel.

Chengde Yunshan Hotel Chengde Yunshan Hotel - Blick aus dem 9. Flur

Nach ein paar Schwierigkeiten, die Tür zu unserem Luxus-Appartment zu öffnen, staunen wir erst mal nicht schlecht, aufgeteilt in zwei Räume schaut der Bunker ganz anständig aus. Auf den ersten Blick... Eines der Fenster zu einer vielbefahrenen Straße steht einen Spalt breit offen, lässt sich auch nicht schließen, da ist die Mechanik verbogen. Der Fernseher und der zugehörige Receiver machen keinerlei Anstalten etwas von sich zu geben, ist auch egal, man kann letztlich mit den chinesischen Sendern eh nicht viel anfangen. Die beiden Lampen am Bett haben keinen Schalter (also es gibt bestimmt einen, aber wir finden ihn auch nach 30 Minuten Suchen am Abend nicht), uns bleibt nur, die ganze Bude mittels Herausziehen der room card stromlos zu machen und mit der bereitgestellten Taschenlampe den Weg zum Bett zu finden.
Laut dem kleinen Ordner, den es im Zimmer gibt, müsste es drei Restaurants und eine Lobby-Bar hier geben, das sollte für uns reichen, wir haben nicht vor, heute noch `ne Runde durch diese Stadt zu drehen. Wir also runter die Bar zu finden. Diese stellt sich als eine Ecke in der Lobby heraus, mit ein paar Holzstühlen, einem halbleeren Kühlschrank und einer lächelden Alten. Ich verstehe kein Wort, frage sie nach einem Drink, daraufhin deutet sie auf ein paar Schnapsflaschen, die in einem Regal an der Wand stehen, ich schüttele verneinend den Kopf. Ich frage nach "beer", sie versteht mich nicht, ich deute auf den Kühlschrank, sie holt eine einsame Flasche heraus, die ich nicht einsortieren kann. Ein alter Mann, der dort sitzt fragt: "tea? coffee?" Ich verneine und frage ihn nach beer, er zuckt mit den Schultern, wir wollen an der Rezeption nach Hilfe fragen, dort ignoriert man uns wieder. Wir gehen in eines der Restaurants, auch dort versteht keiner ein Wort englisch, man kann uns auch keine Karte offerieren, in englisch oder wenigstens mit Bildchen, garnix. Also verlassen wir das Hotel und versuchen irgendein Restaurant oder eine Bar zu finden, wo wir Speis und Trank erhalten können. Um es abzukürzen, außer ein paar Imbissbuden haben wir rund ums Hotel nichts gefunden, weiter zu laufen haben wir echt keine Lust mehr, als wir einen McDonalds sehen, beschließen wir, dass es heute dort unser Dinner geben wird. Anschließend kaufen wir im Supermarket noch ein Sixpack Tsingtao und verschwinden auf`s Zimmer.

Als wir mit dem Fahrstuhl hoch fahren steigt ein asiatisches Pärchen zu welches sich ebenfalls im Supermarkt versorgt hat. Das scheint also nicht unüblich zu sein.

Wir können es einfach nicht fassen, dass in einem 4 Sterne Hotel niemand englisch spricht (obwohl ziemlich alle Hinweise durchaus in englisch angeschlagen sind), auch auf der Straße keinerlei Möglichkeit, weiterzukommen, einzig das Mädel beim McDonalds konnte ein paar sehr wenige Worte, aber bereits beim Ansagen des Preises kam sie wieder ins Schleudern. Offensichtlich ist dies hier kein Ort, an den sich nicht-asiatische Touristen verirren.
Was für ein frustrierendes Ende eines so schönen Tages

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