
Wir sind pünktlich 8:00 Uhr beim Frühstück, das, wie meistens in England, ziemlich
üppig ausfällt. Aber wer weiß schon, ob und wann wir das nächste Mal was zu beißen kriegen.
Das Gepäck ist schon vorbereitet für den Transport zur nächsten Übernachtung, das übernimmt
wie immer ein Transportservice, so dass wir "mit leichtem Gepäck" reisen können.
Wir starten also pünktlich um 9:00 Uhr am Hafen von St. Ives. Zunächst geht es das Stück des Weges,
dass wir gestern bereits getestet hatten. Der Weg ist ziemlich eben, geht aber oft recht nah an den
Klippen entlang. Wir müssen uns zwar das ein oder andere Mal durch`s Gemüse kämpfen, aber
noch stellt der Weg keine Herausforderung dar.
Das soll sich nach etwa zwei Kilometern ändern. Der Pfad wird zunehmend
steinig, geht steil auf und ab und verlangt uns nun doch einiges ab. Wir gehen langsam und schonen unsere Kräfte.
Wohlwissend, dass wir sie noch brauchen werden.
Wir genießen die unglaublich schöne Landschaft, die Ausblicke sind
so atemberaubend, dass man es nicht leicht beschreiben kann. Auch das
Wetter meint es gut mit uns, wir haben oft sonnige Abschnitte, auch wenn
es nicht warm ist. Der sehr scharfe Atlantikwind ist ziemlich kalt.
Bei all dem berauschenden Ambiente müssen wir dennoch ziemlich viel
Konzentration aufbieten. Die Wege sind steil und krauftraubend und
führen oft nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt an den Klippen
entlang. Und hier geht`s schon richtig tief runter (obwohl ich sowas
schlecht schätzen kann, zeigt mein GPS Tracker an, dass wir uns zwischen
60 - 80 Meter über`m Meer bewegen).
Der Höhepunkt war dann erreicht, als wir vor einem riesigen Feld meterhoher Felsen stehen und nicht mehr weiter wissen.
Kein Weg oben, kein Weg unten dran vorbei. Wir diskutieren ein wenig mit einem anderen Paar, als ein englischer
Wandersmann des Weges geschritten kommt. Schlapphut auf dem Kopfe, edler Wanderstock in der Hand schaut
er kurz und
näselt im Tone britischen Selbstbewusstseins: „This is propably the trickiest section of the whole coastpath way.“
Sprachs und schritt erhobenen Hauptes darüber hinweg.
Nach einer angemessen Phase staunender Sprachlosigkeit schauen wir uns gegenseitig an, keiner kann glauben, was hier gerade passiert ist.
Schließlich sind wir auf allen Vieren hinterher.
Wie immer vergißt man in solchen Situationen Fotos zu machen,
der Pfad führte über die Felsen etwa 50 Meter leicht bergab und
anschließend in einer Art Schlucht mindestens ebenso weit relativ steil
bergan. Obiges Foto zeigt nur den allerletzten Abschnitt, die Lady kommt
gerade aus dem Ausgang der Schlucht, also des Bergauf-Stückes. Sie gehörte zu
dem Pärchen, mit dem wir uns vorher unterhalten hatten: die beiden
kamen nach uns, wir saßen zu dem Zeitpunkt schon auf einem Stein, mit
den Zungen auf den Knien.
Erschwerend zu der Kraxelei kam, dass auch
hier die Klippe nie weit entfernt war, zumindest mir bereitet das noch
zusätzliche Schwierigkeiten, das wird mich im Laufe der Tour auch noch
einige Schweißtropfen kosten.
Nachdem wir also mehrere Minuten
gerastet und keuschend unsere Trinkwasservorräte aufgebraucht
haben, stellen wir uns vor, wie sich dieses Stück an einem regnerischen
Tag (die ja hier gerüchteweise vorkommen sollen) bewältigen lassen soll.
Das wäre dann auf jeden Fall eine halsbrecherische Angelegenheit.
Die
letzten beiden Meilen sind dann eher harmlos, es geht auch bald
landeinwärts Richtung Zennor, wo wir zuallererst mal in den Pub einfallen
und der drohenden Unterhopfung entgegenarbeiten.
Dort treffen wir einige Wandersleute, die uns heute unterm Tag schon
begegnet waren, alle schauen ziemlich abgekämpft aus, selbst der noble
englische Wandersmann bestätigt, dass ihn die Etappe etwas
herausgefordert hat.
Unglücklicherweise ist unsere Unterkunft
nochmals 1,2 Meilen entfernt, da das "Tinners Arms", die einzige
Herberge in Zennor, komplett ausgebucht ist. Der Weg dahin führt
allerdings sehr angenehm über Schafweiden und ist mit den beiden Ale im
Bauch, die wir genossen hatten, leicht zu bewältigen.
Angekommen im Boswednack Manor B&B erfahren wir von der Wirtin,
dass man in dem Pub, der am nächsten liegen würde, ohne vorherige
Reservierung keine Chance hätte, einen Platz zu kriegen. Sie telefoniert
sogar noch für uns, aber der einzige freie Tisch wäre erst ziemlich spät
gewesen.
Also laufen wir wieder zurück zum "Tinners Arms", wo uns das
Abendessen und ein paar Biere nach diesem Tag hervorragend schmecken.
Und anschließend laufen in der einbrechenden Dunkelheit wieder zurück, hindurch
zwischen den Schafen und deren Hinterlassenschaften, zu unserem B&B und
fallen todmüde in das ziemlich unbequeme Bett.