Rainy days

 

Unser Guide für die nächsten Tage stellt sich mit seinem vietnamesischen Namen vor (Lam Naht Nguyen), schickt aber gleich hinterher, wir sollten ihn Tony nennen, da uns für die korrekte Aussprache seines Namens ein paar Atmungsorgane fehlen würden. Er spricht sehr gut Englisch, versteht uns auch problemlos, selbst der Fahrer hat ein Sprachorgan, obwohl er zumeist nur bis zu den Ohren lächelt. Aber er versteht ein paar Brocken englisch, im Zweifelsfall wetzt er sofort los und holt Tony, damit kann die Reise beginnen. Zunächst fragt er uns, ob wir schon gefrühstückt haben, haben wir natürlich nicht, also fahren wir jetzt in eine Bar, wo es Kaffee und lecker Rührei und auch sonst noch allerhand Gutes gibt. Auf dem Weg dahin erzählt er uns schon eine Menge interessante Sachen, Wir sind hier genau in dem Gebiet, in dem während des Vietnamkrieges die Grenze zwischen Nord- und Südvietnam verlief. Wir fahren auf dem berühmten Ho Chi Minh Trail, einer Straße, die Jugendliche Vietnamesen während des Krieges gebaut haben und über diese die Vietkong mit Waffen, Nahrung und allem Nötigen versorgt haben. Viele  seiner Geschichten sind hochspannend, es ist sehr interessant, die Geschichten über  diesen Krieg mal aus der Sicht eines Vietnamesen vermittelt zu bekommen, auch wenn er erst viele Jahre nach diesem Krieg geboren ist.

 

 

Wir erfahren außerdem, dass der Tourismus eigentlich erst seit 5 Jahren hier richtig Fuß fasst, zuvor sind wirklich nur ganz vereinzelte Backpacker hier durchgekommen, die meist mit Motorbikes Vietnam auf eigene Faust erkundet haben. Die Hotels hier im Phong Nha (spricht man Fong Nja) Nationalpark sind alle erst in den letzten Jahren entstanden, aber auch hier wächst dieser Wirtschaftszweig sehr rasant, wie uns Tony erzählt und wir auch an den vielen Baustellen sehen können. Verständlich, da es sich um die einzige (legale) Einkommensquelle der Leute hier handelt, ausgenommmen der Landwirtschaft (später mehr dazu).

Wir fahren zu einer Bootsanlegestelle, wo wir gemeinsam mit Tony ein Boot besteigen und auf den ziemlich hoch stehenden Son-River hinaus fahren. Unser Ziel ist die Phong Nha Cave, die wir aber leider nur zu Fuß erkunden können. Normalerweise kann man mit dem Boot bis zu 4 km tief in die Höhle fahren, aber bereits nach einhundert Metern sehen wir, dass eine Felsdurchfahrt hier nur noch wenige Zentimeter über dem Wasserspiegel des Flusses steht, hier ist kein Durchkommen mehr. Wir steigen aus und gehen einige huntert Meter weit in die Höhle, bis auch hier nichts mehr geht. Rückwärts verlassen wir die Höhle zu Fuß, müssen aber dabei direkt unter einem Wasserfall durch, was aber egal ist, da wir eh vollständig durchgeschwitzt sind. Wir rasten kurz um dann etwa 500 Stufen nach oben zu krabbeln, wo eine weitere Tropfsteinhöhle zu besichtigen ist. Oben angekommen ist sogar Tony fertig, die Luftfeuchtigkeit in dieser Hitze ist mörderisch. Immer wenn die Sonne nur ein ganz klein wenig zum Vorschein kommt, steigt die Temperatur schlagartig an und alles hüllt sich in einen Dunst, der Atmen zum Kraftsport macht, besonders für mich als Asthmatiker.

Innerhalb der Höhle ist es fast kühl, es geht etwa 4,5 km über hölzerne Stege auf und ab. Tony fuchtelt immer wieder mit seiner Taschenlampe und quiekt begeistert ein ums andere Mal, als würde er gerade eben etwas besonders spannendes entdecken. Begleitet von Ausrufen wie "cool" und "look at this, amazing" und einem immer wiederkehrenden "jaja" durchstreifen wir die Höhle. Dieses Jaja folgt bei ihm auf jeden zweiten Satz, es macht die Unterhaltung mit ihm sehr lustig, weil ich ihn ab und an imitiere oder mal ein NoNo hinterherschicke. Er nimmt`s mit sehr viel Humor, sehr angenehmer Bube. Wir erfahren auf dem Weg noch ein paar interessante Sachen über den vietnamesischen Glauben an Farben, Tiere und Elemente, welche Tiere bzw. Elemente gut zusammenpassen, welche weniger und wer mit wem wann Kinder kriegen sollte um diese zu glücklichen Menschen zu machen.

 

 

Im Anschluß geht es mit dem Boot wieder zurück, Tony erzählt uns noch ein bisschen über das Leben der Leute hier am Fluß, z.B. dass es auf der einen Seite nur eine Primary School gibt und der Weg für die älteren Kinder zur Secondary School auf die andere Flußseite einfach zu weit wäre, somit endet die Schulbildung dieser Kinder nach der Grundschule mit 12 Jahren, deine Zukunftchancen werden also bereits mit dem Geburtsort bestimmt.

Wir fahren ein paar Kilometer zu unserer Unterkunft, dem Chap Lay Farm Stay, ein Ressort mit einigen Deluxe-Steinhäusern und einigen halbrunden Holzhäusern. In eines davon ziehen wir nach dem Check-In ein.


 

Tony verabschiedet sich, wir verabreden uns für den nächsten Tag um viertel vor neun zum Radeln, wenn das Wetter es zulässt. Für heute wäre noch Kajaking geplant gewesen, aber das ist unmöglich bei dem Hochwasser. Wir haben schon eingesehen, dass die Wahl unserer Urlaubszeit unglücklich war, wir versäumen einiges durch das Wetter. Andererseits sind wir oft nur mit wenigen Urlaubern in unseren Hotels, wir hatten einen privaten Boattrip in Halong, jetzt setzt sich eine der beiden Hotelmanagerinnen zu uns an den Tisch während wir unseren Lunch geniessen. Sie erzählt uns, dass die Anlage erst eineinhalb Jahre besteht und von einem Geschäftsmann aus der Gegend, der sein Geld in Ho Chi Minh City macht aufgebaut wurde. Es werden ausschließlich einheimische Jugendliche angestellt, deren einzige Erwerbsquelle abseits der Landwirtschaft es wäre in den Dschungel zu gehen und Tiere, vornehlich die rotgesichtigen Affen zu fangen und an Chinesen zu verkaufen, die die Gehirne als Delikatesse verspeisen und allerlei Medizin aus anderen Teilen der Tiere machen. Wenige glückliche finden im Dschungel den Vietnamese Cinnamon, eine besondere Zimtart, die die weltweit intensivsten Geruchs- und Geschmackstoffe enthält und entsprechend sündteuer verkauft werden kann, mancher ist davon reich geworden, wie Tony uns schon erzählt hatte, aber wie immer trifft dieses Glück nur sehr wenige. Egal, beides ist illegal und deshalb dieses Projekt mit dem Farmstay, wo mittlerweile 37 Jugendliche beschäftigt sind. Da geben wir unser Geld doch gerne aus. Während wir speisen, beginnt es wieder zu regnen, als hätte wer einen Wasserhahn geöffnet und es soll auch nicht mehr wirklich aufhören heute. Wir ruhen am Nachmittag ein wenig, der Schlaf im Zug war doch nicht so erholsam. Beim Dinner sitzen wir drinnen, auf der Terasse geht nix mehr. Die zweite der Hotelmanagerinnen kommt und plaudert mit uns, eine stammt aus Hanoi, die andere aus Ho Chi Minh City und beide haben sich in der Mitte zur Verwirklichung dieses Projektes getroffen. Ich vermute, dass beide im Ausland studiert haben, man merkt es an ihrem Englisch und an vielen kleinen Dingen im Hotel, z.B. an der Bar, die wir dann doch noch besuchen, auch wenn der eine oder andere Regentropfen den Weg durch das Dach findet. Ich bleibe beim Bier, aber der von meiner Begleiterin bestellte Mojito kann nicht geliefert werden, das Mädel hinter der Bar druckst ein wenig rum und schlägt einen anderen Drink vor. Der wird probiert und für gut befunden. Wir kommen ins Gespräch, das Mädel ist sehr aufgeschlossen und wissbegierig, vor allem möchte sie wissen, ob wir schon mal Schnee gesehen hätten, sie kennt keinen.

Nachdem wir den zweiten Drink haben, sehe ich, wie sie an einem Mojito bastelt, sie ist sehr unsicher ob der Zutaten und gibt das Ergebnis einem auch an der Bar sitzenden Vietnamesen, der ein bisschen mit dem Kopf wackelt und noch braunen Rum nachgießt. Als das Gebräu für gut befunden wurde offeriert sie uns nun auch einen Mojito. Sie hat sich einfach nicht getraut, wir hatten von einer der Hotelmanagerinnen schon gehört, dass das ganze Programm an der Bar erneuert worden ist und die Angestellten noch in der Anlernphase wären. Später kommt sie auch, lässt sich einen Drink vom Mädel mixen und probiert, setzt sich zu uns und wir plaudern noch ein wenig. Es war ein sehr schöner Abend mit guten Gesprächen. Sorgen macht uns nur der Regen, wir befürchten, dass aus dem Radelfahren morgen nix wird. Es sollte schlimmer kommen, nicht radeln zu können soll morgen unsere kleinste Sorge sein...