Es
hat die ganze Nacht geschüttet, am Morgen lässt es nach. Wir haben gut
geschlafen und begeben uns gegen acht Uhr zum Frühstück. Wir sehen, dass die
Vietnamesen alle möglichen Sachen in die Holzhäuser schleppen, Matratzen,
Kissen, Stühle. Diese Holzhäuser lassen sich nämlich anheben, an
Metallpfählen, die rundherum um die Holzhäuser installiert sind. Im letzten
Jahr hat eine Flutwelle das gesamte Camp um 2 Meter überspült und alles
zerstört, das Schlimmste will man nun mit dem möglichen Anheben der Häuser
verhindern wie wir gestern in unseren Gesprächen erfahren haben. Dass man nun
beginnt, alles in die Holzhäuschen zu verbringen, verheißt nichts Gutes. Und
so ist es dann auch, die Managerin kommt zu uns an den Frühstückstisch und
sagt, dass das Camp geschlossen werden müsse, da für 10:00 Uhr ein "storm"
angekündigt wäre und mit einer "flood" zu rechnen sei. Unser Guide würde uns
nach Hue bringen. Nur einmal höre ich den Begriff Taifun, aber die
Befürchtungen gehen wohl in diese Richtung, wenige Wochen zuvor war genau in
dieser Gegend ein Taifun auf Land getroffen und hatte verheerende
Zerstörungen angerichtet.
Wie packen also zusammen und Tony bietet uns zwei Varianten des weiteren Vorgehens an, wir könnten nach Hue fahren und dort eine Nacht bleiben oder direkt bis Hoi An unserem eigentlichen nächsten Ziel fahren, dann hätten wir da einen Tag mehr. Wir entscheiden uns für Hue, der alten Kaiserstadt, die wir in unseren Planungen gar nicht berücksichtigt hatten, da nun mal nicht alles geht in drei Wochen, aber so kann`s gehen...
Auf der Fahrt kommen uns mehrere Fernsehwagen entgegen, es wird wohl mit einem berichtenswerten Sturm gerechnet. (Anm. vom 13.10.: Unsere Begleiterin in Hoi An berichtet uns, sie habe am Morgen im Fernsehen einen Bericht über die schweren Überschwemmungen im Norden Zentralvietmans gesehen, viele Orte waren meterhoch unter Wasser, mindestens 12 Menschen haben bei der Flut ihr Leben verloren. Das macht dann einigermassen sprachlos....)
Wir plaudern locker mit Tony während der Fahrt und amüsieren uns über jede Menge Getier auf der Straße und Moppedfahrer, die links blinken und rechts abbiegen oder umgekehrt. Unser Fahrer muss mehrfach sein Können und die Funktionsfähigkeiten seiner Bremsen unter Beweis stellen, er selbst überholt aber auch gerne mal vor Kuppen oder Kurven. Ich ziehe es wieder vor, nicht nach vorn zu blicken, sondern meine Berichte zu schreiben und mit den anderen Insassen im Auto zu plaudern.
Wir erreichen den 17. Breitengrad, der früher die Grenze
zwischen Nord- und Südvietnam markierte inklusive einer
De-Militarized-Zone. Tony erzählt uns lustige Anekdoten, über
Flaggenmasten, die auf Nord- und Südseite immer höher wuchsen um
der Bessere zu sein und Lautsprechertürme, die immer weiter
ausgebaut wurden auf beiden Seiten, um die jeweilige Gegenseite
mit Propaganda zu beschallen. Hört sich nach dem deutschen
Ost-West-Konflikt an, RIAS Berlin hatte auch nichts Besseres zu
tun, als von Berlin in alle Richtungen und von Hof aus in
Richtung Norden zu senden. Und die Ostdeutschen
Propagandameister hatten bloß die Technik nicht, sonst hätten
die schon dagegen gehalten. Direkt am Vi Tuyen 17 , dem Parallel Seventeen führt eine
Brücke über den Fluß BenHai River, die Vietnamesen nennen diesen
einstigen Grenzübergang Checkpoint Charly. Auf der Nordseite ist
noch ein Großes Mahnmal mit dem Flaggenmast zu sehen, sowie ein
Museum, welches den Kriegsverlauf illustriert und in
eindrucksvollen Bildern darstellt, was damals hier passierte,
Tony weiß auch dazu jede Menge Geschichten. Er ist echt Gold
wert.
Wir gehen zu Fuß über die Brücke, die bis zur Hälfte hellblau, der Farbe der Vietkong gestrichen ist und auf der anderen Seite gelb, der Farbe des damaligen Südvietnams.
Auch auf der anderen Seite steht ein großes Monument, dort wartet unser Fahrer und wir fahren weiter bis Da Hong, wo es in einem Nobelhotel den Lunch gibt. Der Lunch war für heute im Plan mit drin, aber wohl weniger aufwändig geplant als das 7 Gänge Menu im Konferenzsaal hier (Tony hatte uns was von einem Lokal erzählt, in dem sein Kumpel kochen würde. ) . Schaut aber gewiss super aus, zwei abgerissene Touris werden von einem Schwarm dienstbarer Geister als einzige Gäste in einem solchen Ambiente bedient.
Wir erreichen Hue am späten Nachmittag und fahren erst mal ins Hotel. Wow, was für ein Schuppen! Wir sind angemessen begeistert, hier strotzt alles vor Marmor, Leder und barockem Design, die Hütte würde in Deutschland auch als 4- , wenn nicht sogar 5-Sterne-Hotel durchgehen.
Hue ist eine Universitätsstadt, aber hier geht es viel weniger wuselig zu als in Hanoi, die Plätze und Straßen sind längst nicht so dicht gedrängt und es ist viel weniger Verkehr. Auch der Baustil der Gebäude ist nicht so wild durcheinander, alles wirkt harmonischer, irgendwie komplett anders auf jeden Fall.
Tony zeigt uns dann die größte katholische Kirche Vietnams, wohl weil wir ihn in Phong Nha gefragt hatten, ob wir eine der kleinen putzigen Kirchen dort besichtigen könnten, aber die waren natürlich alle zu, wegen der aufkommenden Flut.
Anschließend fahren wir noch zu einem Markt, der uns schier den Atem verschlägt, ob seiner unglaublichen Größe und der Fülle der dargebotenen Waren. Das kann man alles gar nicht fassen, so viel wird hier angeboten. Tony plaudert noch ein bisschen, dass seine Schwester hier oft wohl nur herkommen würde zum Ratschen und darüber ihre Einkäufe vergisst, es ist ein echter Mehrwert, einen Guide zu haben, der sich erstens auskennt und zweitens einen Bezug zu den Plätzen hat, die man besucht.
Nach dem Markt verabschiedet Tony sich von uns, vielen herzlichen Dank, das waren zwei sehr schöne Tage, den Fahrer sehen wir morgen noch mal, er bringt uns nach Hoi An.
Wir besuchen noch die Downtown, ein Viertel, welches die Einheimischen die "Backpackers-Street" nennen, weil sich hier quasi nur Hotels und Bars aneinander reihen und es der Treffpunkt für Touristen ist. Aber auch die einheimischen Jugendlichen kommen hierher, wie uns der Kellner erzählt, in dem Restaurant, in dem wir noch gemütlich zu Abend essen, er meint damit einen Laden gegenüber, der brechend voll ist und aus dem ohrenbetäubende Musik dringt.