Obwohl sich gestern im Theater ein junges Mädel als unser Guide
für den heutigen Tag vorgestelllt hatte, holen uns zwei Buben
mit einem Kleinbus am Hotel ab. Der Fahrer bringt den Mund
zunächst nicht mal für ein Hallo oder Xin Chao auf, dafür
plappert der andere munter drauflos. Allerdings glaube ich
zunächst, dass er vietnamesisch redet, es könnte auch
klingonisch sein, jedenfalls verstehe ich höchstens jedes
fünfte Wort. Das Mädel gestern Abend dagegen war glasklar zu
verstehen, keine Ahnung, was uns diese Planänderung beschert
hat. Na jedenfalls sind wir jetzt auf dem Weg nach Ninh Binh in
eine Landschaft, die man auch "Die trockene Halong Bucht" nennt,
wohl deshalb, weil hier auch diese kegelförmigen Felsen aus dem
Nichts wachsen, wir werden sehen.
So fahren wir also unter
dem Geplapper des Guide (ich glaube er hat sich mit Andy
vorgestellt) durch die Straßen von Hanoi, jeder zweite Satz von
ihm ist " very oul hou, over hounda year oul". dabei zeigt er
auf verfallene Häuser, meist im französischen Kolonialstil. Er
meint damit alte Häuser, die seiner Meinung nach über hundert
Jahre alt sind. Einmal möchte er uns was von einer Kathedrale
oder Kirche erzählen, wir schauen uns beide an, keiner versteht
was er sagen will. Selbst als er "church" versucht zu
buchstabieren, bin ich zuerst noch hilflos, weil er Buchstaben
in seinem Alphabet hat, die ich nicht kenne. Mit Händen erklärt
kommen wir schließlich irgendwann zusammen.
Wir verlassen
Hanoi auf einer Art Autobahn, die er zum "Highway Number One"
erklärt, diesen Spruch hören wir anschließen bestimmt 30 mal.
Links und rechts des sagenumwobenen Highways sehen wir
mittlerweile Reisfelder und auch die dazugehörigen Bauern, die
meist Bäuerinnen sind und Wasserbüffel in großer Anzahl. Die
Felder werden meist von den Frauen bewirtschaftet, da die Männer
in Fabriken das Geld verdienen, die Landwirtschaft wirft nicht
genug ab, ähnlich wie bei uns.
Wir durchqueren ein paar
kleinere und größere Städte, zumindest an der Straße, auf der
wir die Orte queren schauen diese nicht so gedrängt aus, wie die
Innenstadt von Hanoi und auch der Verkehr ist nicht ganz so
chaotisch, wenn auch alles andere als geordnet. Selbst auf dem
Highway kann es passieren, dass mal ein Fußgänger oder
Moppedfahrer verkehrt herum unterwegs ist. Kurz gehupt und schon
ist alles wieder gut, kein Grund sich aufzuregen. Das Hupen hier
hat übrigens nicht wie in Deutschland die Bedeutung "Mach Platz
du Depp!" , sondern ist tatsächlich als Hinweis gedacht, "Ich
komm von hinten und bin schneller als du, also fahr mal schön
geradeaus." Auch die Fahrspuren, wenn mal welche auf den Straßen
aufgezeichnet sind, sind bestenfalls Dekoration, hier fährt
jeder überall.
Wie kommen nach Hoa Lu, eine Hauptstadt aus
früherer Zeit und besichtigen die Tempel der Dinh und der Le
Dynastie. Andy plappert weiter munter vor sich hin und erzählt
uns die Geschichte von gefühlt 300 Königen, das wäre mit
Sicherheit interessant, wenn wir mehr als ein paar Fetzen
verstehen würden. Mittlerweile haben wir auch gemerkt, dass er
kaum was von dem versteht, was wir ihn fragen, wir resignieren
und nicken immer brav, wenn er einen seiner Wortschwälle von
sich gibt.
Nach der Besichtigung zweier Tempel fahren wir nach
Tam Coc, wo wir übernachten werden. Der Ort scheint voll auf
Tourismus getrimmt, wir sehen fast nur Hotels, Touri-Läden und
Restaurants. Sowie etliche Schilder zu Privatunterkünften, den
Homestays. Hier sind tatsächlich richtig viele Backpacker
einfach auf`s Geradewohl unterwegs. Mutige Nummer, aber sicher
auch eine interessante Art, das Land zu entdecken.
Wir fahren
aus dem Ort noch etliche Kilometer raus und biegen schließlich
auf einen Betonweg in die Reisfelder ab, hier is nix mehr mit
Gegenverkehr, wenn uns jetzt was entgegenkommt, muss einer
rückwärts fahren. Als aus der Betonstraße ein Feldweg wird,
haben wir unser "Hotel" erreicht, das Tam Coc Rice Field
Ressort, eine Ansammlung von etwa 10 Bambushütten, aber sehr
schön angelegt. Als erstes werden wir vom Chef mal gebeten, vor
Betreten der Rezeption die Schuhe auszuziehen, hier laufen alle
in den Hütten barfuß. Auch unsere Hütte, sowie das komplette
Interieur derselben sind aus Bamboo gemacht, sehr stilvoll und
vor allem sehr sauber, wir sind angetan. Da aufgrund der
Bauweise natürlich keine Tür richtig schließt, hat unser Bett
ein Moskitonetz, gute Idee, wir wir am Abend feststellen werden.

Es gibt Dinner im zentralen Häuschen, man kann ja sonst auch
nirgendwohin, wäre auch lebensgefährlich, da es mittlerweile
stockdüster ist, der Übergang von Tag zur Nacht dauert hier nur
Minuten, hatten wir auch in Hanoi schon bemerkt. Das Essen ist
lecker, wir plaudern anschließen noch ein bisschen mit dem Chef,
die Vietnamesen sind sehr aufgeschlossen und erzählen gern -
schön, wenn man sie auch versteht. Dann
gehen wir zu unserer Hütte und schlafen ziemlich bald ein, gibt
schließlich auch keinen Fernseher und müde sind wir allemal.
Am nächsten Morgen sind wir 6:15 Uhr mit unserem Guide
verabredet zu einer Radltour, obwohl er zunächst nichts davon
wissen wollte. Erst als ich ihm unseren Voucher mit der
Tourbeschreibung unter die Nase halte erinnert er sich. Er ist
wohl kein Frühaufsteher, wie wir merken, er kommt auch eine
halbe Stunde zu spät. Wir schnappen uns drei Fahrräder, die zur
Ausrüstung des Hotels gehören und radeln gemütlich los. Also wir
zwei radeln gemütlich, er sticht vorneweg. Natürlich bleiben wir
alle paar Meter stehen zum Fotografieren, irgendwann spannt er,
dass er uns verloren hat und wartet. Das wird ihm heute noch
öfter passieren.
Wir kommen an eine Art Nationalpark, wo Eintritt zu
entrichten ist, dann fahren wir weiter und kommen wieder in eine
hotelähnliche Anlage, wo allerlei Volk mit Reinigungs- und
Renovierungsarbeiten beschäftigt ist, es ist definitiv keine
Urlaubszeit. Schließlich geht es gar nicht mehr weiter, da der Weg saniert
wird und wir mit den Fahrrädern nicht vorbei kommen. Also können
wir nicht zu dem Vogelreservat fahren, wie in der
Tourbeschreibung angegeben, schade. Das war auch so eine Nummer,
der Guide plapperte ständig etwas von Bott-Gaaden, bis ich
rausgekriegt habe, dass er damit den Bird-Garden meint, ist
einiges Wasser durch unzählige vietnamesische Flüsse, Bäche und
Rinnsale geflossen. Jedenfalls ist er sichtlich froh, dass es
nicht weitergeht und wir zurückfahren "müssen" zum
Frühstück. Es hätte vermutlich einen anderen Weg gegeben, aber
wir wollten uns auf diese Diskussion mit ihm dann nicht mehr
einlassen. Zurück durch die Reisfelder, entlang der
Bauernhäuser, wo noch alles mögliche Vieh im Garten gehalten
wird. Die Behausungen schauen auch hier sehr unterschiedlich
aus, von ziemlich groß und annehmbar, bis vollkommen
heruntergekommen und winzig. Dazwischen werden immer wieder
Urlauber-Behausungen gebaut, auch wenn wir einige angefangene
Bauwerke sehen, die offensichtlich schon über Jahre brach
liegen, der Guide versucht uns zu erklären, die Anlage wäre
dieses Jahr bloß nicht fertig geworden, may be next year. Aber
auch in Vietnam wachsen meterhohe Bäume nicht in ein paar Wochen
aus dem Mauerwerk. Auf jeden Fall dürfte diese ländliche Idylle
hier bald der Vergangenheit angehören, schade. Zurück zum
Frühstück, auch sehr gut und dann wieder audgecheckt, wir waren
nur für eine Nacht hier gebucht. Ich hätte mir vorstellen
können, hier auch zwei oder drei Tage zu verbringen, bei schönem
Wetter kann man hier sicher einiges entdecken. Allerdings hat
sich der Himmel nach morgendlichem Sonnenschein bewölkt und es
fängt an zu regenen, nicht heftig, aber trotzdem unangenehm. Und
dass, wo noch eine Bootstour ansteht. Wie werden zu einem
kleinen Fluss verfrachtet, der Guide packt uns in ein Boot mit
einer älteren Vietnamesin, die kein Wort englisch versteht, nur
ein paar Brocken französisch (zumindest verlangt sie ihr
Trinkgeld zum Schluß auf französisch). Sie rudert uns dann etwa
eine Stunde durch die Flusswindungen, vorbei an kleinen Katen,
die vollkommen isoliert auf kleinen Inseln stehen, die z.T.
künstlich aufgeschüttet erscheinen. Wie sehen etliche Boote mit
Fischern oder Bauern, die Schilf schneiden, das alles schaut
nach einem sehr kärglichem Leben aus, dass die Bauern hier
führen. Interessant ist, das Mädel rudert uns mit den Füßen, tolle
Akrobatic.
Mittendrin im Dschungel kommt mir der Gedanke, was
ich wohl machen würde, wenn die uns hier aussetzt, ich sehe
keine Großen Überlebenschancen für uns...
Eigentlich ist der
Trip wildromantisch, es stört nur der immer wieder einsetzende
Nieselregen, aber vielleicht hält uns genau der die Insekten vom
Hals. Ich male mir aus, wie uns die Viecher perforieren würden,
wäre jetzt Sonnenschein, warm ist es ja trotz des Regens.
Irgendwann fordert uns das Mädel mit Händen und Füßen auf, uns
auf den Boden des Bootes zu setzen, sie will uns in eine Höhle
rudern. Selbst am Boden sitzend müssen wir die Köpfe einziehen,
in der Höhle ist es stockfinster, es gibt nichts zu sehen außer
der flackernden Funzel, die sie sich um den Kopf geschnallt hat.
Da die Luft zunehmen stickiger wird, fordern wir sie auf, wieder
auszufahren, das ist nix für mich. Mit ein bisschen Nachdruck
versteht sie unser Ansinnen dann und gibt nach. Sie rudert uns
dann den ganzen Weg wieder zurück, wir sehen noch etliches
lustiges Getier, unter anderem ein Ente mit teilweise getigertem
Federkleid. Hier kommt also die Tigerente von Janosch her. :-)

Wir sehen auch große Lotusblätter, leider aber keine Blüten.
Zurück an Land, schleppt uns Andy noch zu einem buddhistischen
Tempel, darüber weiß er auch alles mögliche zu erzählen, er ist
Buddhist, wie wir im inneren des Tempels feststellen, er betet
sehr inbrünstig. Seine
wortreichen Erklärungen sind immer noch nicht besser
verständlich, aber das Esentielle entnehmen wir dem schon
und reimen uns den Rest zusammen. Anschließend schlägt er noch
vor, einen Lunch in einer der Bars zu nehmen, er hat nämlich
einen Kumpel hier, wir wollen aber nicht, ist uns noch zu früh.
Wir beschließen aufgrund des miesen Wetters nach Hanoi zurück zu
fahren.
Unterwegs machen wir noch einen Zwischenstop, rein
zufällig, wie auch schon auf der Hinfahrt an einem kleinen
Supermarkt für Touri-Andenken. Wir schlendern ein wenig durch
dem Laden und stellen fest, dass uns ein kleiner Vietnamese
Schritt auf Tritt verfolgt. Er stellt sich teilweise so dicht
hinter uns, dass ich seinen Atem im Nacken förmlich spüren kann.
Ein Aufpasser. Ich beschließe den Buben mal herauszufordern, in
der Abteilung für Gems (obwohl ich nicht weiß, welcher Art die
Edelsteine sein sollen, ich entdecke nur kleine geschnitzte
Buddha-Figuren, wohl aus Jade), gehe ich absichtlich in die andere Richtung wie
meine Begleiterin. Panik erfasst unseren Wachhund, er weiß nun
nicht mehr, wem er folgen soll. Nach einigem Hin und Her
entschließt er sich für mich, anscheinend schaue ich mehr nach Verbrecher aus.
Zurück in Hanoi fällt uns zuallererst
wieder der chaotische Verkehr auf, es ist haarsträubend, was die
hier veranstalten. Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass der
der Sieger ist, der auf kürzester Strecke am häufigsten die
Fahrspur wechselt. Nicht, dass es etwas bringen würde, am
schnellsten sind immer noch die Moppeds, aber auch nur
unwesentlich, trotz der halsbrecherichsten Manöver. Vietnam ist
das Land mit der höchsten Todesrate im Verkehr...
Am Abend
laufen wir noch durch die Stadt und gehen was essen und nehmen
noch einen Drink, wir haben schon ein paar Stammkneipen. Auf dem
Rückweg stellen wir fest, dass der gesamte Ring um den See für
den Verkehr gesperrt ist, das machen die jedes Wochenende
erfahren wir, deshalb kam uns das Gewusel in der Innenstadt
heute fast noch schlimmer vor, als die vergangenen Tage, es
fehlt natürlich eine der Hauptverkehrsadern der Stadt.
Bereits auf dem Rückweg hatte uns ein heftiger Regenschauer zu
einem letzten ungeplanten Bier gezwungen, heute hat es sich
richtig eingeregnet. Schade, wir sind auf dem Weg in die
Halong-Bucht zu einer Schiffsreise. Die Halong-Bucht ist wohl
das bekannteste Postkartenmotiv Vietnams, hoffentlich sehen wir
überhaupt etwas davon.