Es hat
aufgehört zu regnen, als wir am Morgen aus unserer Hütte schauen, aber es
ist dunstig, wie in einer Waschküche. Für heute sagt der Wetterbericht das
gleiche Szenario, wie gestern voraus, vormittags schön, nachmittags Schauer.
Wobei der gestrige "Schauer" 10 Stunden angedauert hat und etliche
Hektoliter Wasser pro Quadratzentimeter gebracht hat, jedenfalls gefühlt.
Entsprechend sind wir früh mit Hièn verabredet, um unser Programm vor dem
"Regenschauer" durchziehen zu können. Ich versuche ein paar Bilder von der
Anlage zu machen, aber alles beschlägt, Brille, die Linse und das Display
des Fotoapparates und ich bin auch schon wieder pitschnass. Also erst mal
Frühstück.
Wir steigen zuerst in ein Boot und setzen über den Fluß, zu einer Insel und landen an einer der Fährstationen, die wir gestern schon mit dem Fahrrad angefahren hatten. Wir gehen aber nicht an Land sondern wechseln in ein kleines Ruderboot, welches uns, gesteuert von einer Vietnamesin durch die schmalen Kanäle der Insel bringt. Wir sehen wieder jede Menge Häuschen am Ufer und plaudern ein wenig mit Hièn. Wir sehen einige sehr neue und recht moderne Häuschen und fragen ihn, was ein solches Haus hier kostet und wer sich so etwas leisten kann. Diese Häuser sind so etwa mit 10.000 US$ zu veranschlagen, da der Grund hier extrem billig ist und die Häuschen einfach gebaut sind, ohne Keller und nur ein Stockwerk, alles aus Ziegel, welche hier direkt vor Ort hergestellt werden, wie wir später noch sehen werden. Trotzdem können sich nur wenige diese Häuser leisten, meist sind es Vietnamesen, die Verwandte im Ausland haben und Geld von denen bekommen oder Regierungsmitarbeiter. Hièn erzählt uns, dass man als Regierungsmitarbeiter in wenigen Jahren sehr reich wird, da Korruption und Kriminalität ein sehr einträgliches Geschäft hier sind. Viele Vietnamesen hier haben gar kein Haus, deren zuhause sind die Boote und es sind keine großen oder komfortablen Hausboote. Die leben mit der ganzen Familie auf einem Lastkahn oder einem überdachten Ruderboot, das muss ein sehr kärgliches Leben sein. Während die Grundstückspreise hier verhältnismäßig niedrig sind, sind sie in den großen Städten wie Hanoi oder Saigon völlig aus dem Ruder gelaufen, hier wird jeder Quadratmeter vergoldet. Hièn hat viel Wissen, er kann nahezu jede Frage beantworten und wenn doch mal nicht, packt er gleich sein Tablet aus und googelt. Mir kommt der Verdacht dass der Bube in seinem richtigen Beruf oder einem früheren Leben wohl Lehrer sein oder gewesen sein könnte. Seine Art, sein Auftreten, auch seine Kleidung deuten darauf hin und als ich ihn nach dem Durchschnittsverdienst der Vietnamesen frage, bleibt er eher vage, nur die Gehälter von Lehrern kann er sehr genau beziffern.
Nachdem wir die Insel durchquert haben, steigen wir wieder in unser Boot, dass dort bereits auf uns wartet. Wir fahren noch etliches weiter, etwa eine Sunde. Zuerst queren wir einen breiten Arm des Flusses, man fühlt sich hier eher wie auf einem See, dann fahren wir durch schmälere Kanäle. Wir erfahren, dass Sand vom Grund des Mekong eine weitere gute Einnahmequelle darstellt, zum Bauen der Häuser. Das Geschäft ist so lukrativ, das es in großem Maße illegal betrieben wird, was dazu führt, dass dort, wo unkontrolliert zuviel entnommen wird, die Ufer unterspült werden und einbrechen samt der dort stehenden Häuser. Wir sehen mehrere solche Abschnitte.
Hier spielt sich alles am oder im Wasser ab, die Fischer stehen bis zum Hals im Wasser um ihre Reusen aufzustellen oder zu leeren, allenthalben sieht man Boote liegen, von winzig bis beachtlich und wenn so ein Boot das Ende seines Daseins erreicht hat, bleibt es einfach da liegen, wo es versunken ist, man sieht hier unzählige Wracks umherliegen.
Wir kommen wieder an einen größeren Arm und fahren dort etwas entlang an einigen schwimmenden Fischzuchtstationen und erreichen schließlich Vinh Long, wo wir unser Boot verlassen, unser Gepäck in einer Art Tourist Office abstellen und uns auf Fahrräder schwingen.
Allerdings befinden wir uns hier nicht im Wald, wie gestern, sondern in einer Stadt. Zwischen Hunderten von vogelwilden Auto- und Moppedfahrern. Das ist Abenteuer pur, wir kommen an einem Markt vorbei, wo Fußgänger und die Betreiber der Marktstände das Chaos komplettieren. Einmal fährt mir beim Abbiegen ein Opa mit seinem Mopped ins Fahrrad, er hatte mich überholt, obwohl ich per Handzeichen angezeigt hatte, dass ich links abbiege. Er fängt zum Meckern an, ich gebe ihm auch ein paar Namen, damit ist der Gerechtigkeit Genüge getan und jeder zieht wieder seiner Wege, so läuft das hier. Wir kommen auf kleinere Straßen, wo weniger Verkehr herrscht, allerdings sind die wieder so schmal, dass es schon eng wird, wenn ein Mopped entgegen oder von hinten kommt. Wir haben das Feeling auf einem Dorf zu sein, befinden uns aber in einer Stadt, schon verrückt.
Wir sehen viele kleine Handwerksbetriebe, darunter viele Ziegeleien. Der Lehm kommt direkt aus dem Fluß, die Maschine zum Pressen, Formen und Schneiden der Ziegel steht direkt am Ufer. Anschließend werden die Ziegel zum Trocknen an den Straßenrand geschlichtet, um einige Tage später in einem sehr provisorisch gemauerten Ofen gebrannt zu werden. Interessant hierbei: beheizt werden die Öfen mit den Schalen der Reiskörner, die verwenden einfach alles hier, die Asche wird anschließend an Bauern als Düngemittel verkauft.
Wir haben eine ziemlich große Runde gedreht, fast zwei Stunden, mein Gefühl sagt mir etwas zwischen 10 und 15 Kilometer Anschließend laufen wir noch über den Markt, hier wird einfach jeglich erdenkliches Gemüse und Getier verkauft, wobei die Viecher größtenteils noch am Leben sind, mehr oder weniger. Vom Fisch, über Krabben, zu Schlangen und Schildkröten bis hin zu allem möglichen Geflügel, das zu immer zu mehreren zusammen gebunden ist und deren Eier natürlich. Unglaublich und einfach unbeschreiblich. Deutsche Tieschützer würden hier kollabieren und sich kollektiv im Mekong ertränken. Aber so funktioniert das hier halt, dafür müssen die Viecher nicht zu hunderttausenden in einem Pferch aufwachsen, die genießen ihr kurzes Leben in ziemlicher Freiheit.
Dann gibt es Lunch und danach steigen wir wieder ins Auto und fahren im strömenden Regen etwa 50 km weiter nach Can Tho, eine Kleinstadt, wie uns Hièn erzählt, mit 800.000 Einwohnern. Wieviel Städte gibt es eigentlich in Deutschland mit 800.000 Einwohnern oder mehr? Inzwischen hat sich der Regen verzogen, wir checken ins Hotel ein und verabschieden uns vom Guide. Zuerst genießen wir den Blick auf den Mekong aus unserem Fenster im 8. Stock und danach aus dem Cafè im 12. Stockwerk.
Wir drehen dann ein paar Runden, begrüßen Onkel Ho, der hier winkend auf der Uferpromenade steht und gehen anschließend zum gemütlichen Teil mit Dinner und ein paar Getränken über.