…heißt nichts anderes als: “Hier keine Fahrräder abstellen!”
Was ich bei unseren Spaziergängen in Groningen schon begonnen hatte, setze ich hier in
Amsterdam fort. Ich versuche alle möglichen Schilder und Werbungen zu lesen und zu verstehen. Angefangen hatte es in Groningen bei einem Pizza-Lieferservice,
der ein Schild im Fenster hängen hatte “Bezorgers gevraagd”. Wenn man diesen Buchstabensalat einfach stur abliest, offenbart sich häufig der Sinn dahinter.
Und so lerne ich Tag für Tag ein bisschen mehr der einheimischen Sprache. Auf der Zugfahrt nach Zandvoort hatte ich mir eine Zeitung gegriffen und konnte den
meisten Artikeln zumindest den Sinn entnehmen. Unser Trip entwickelt sich somit zur Bildungsreise.
Wie bereits in Groningen, bestimmen auch hier die Fietsen das Straßenbild, zumindest im Centrum sind sie das bevorzugte Fortbewegungsmittel.
Hier kommen allerdings noch Roller hinzu, die praktischerweise Bromfietsen heißen. Autos finden nur auf den größeren Straßen statt und kommen in der
Verkehrshierarchie ganz am Schluss. Sowohl Fietsen als auch Bromfietsen werden immer mit der maximal möglichen Geschwindigkeit bewegt, wobei die zahlreich
vorhandenen Ampeln nicht zwingend verkehrsregulierende Wirkung haben. Sie sind eher als nettgemeinte Hinweise gedacht. Hauptargumente der Verkehrsregelung
sind Fahrradklingeln und Hupen. Beide Instrumente werden häufig und vehement zum Einsatz gebracht. So entsteht, gemeinsam mit den Tausenden von Fußgängern
ein unglaubliches Chaos, was aber nie zu Problemen führt, keiner schreit oder schimpft, irgendwie nimmt dann doch wieder jeder Rücksicht auf den anderen und
der Verkehr fließt zügig dahin. Einfach herrlich!
Noch ein Wort zu den Fahrrädern, wie schon in Groningen wirkt der Großteil der Fietsen sehr alt und verrottet,
was mich zu der Annahme bringt, dass es die Dinger bereits im “Used-Look” zu kaufen gibt. Neuwertige Modelle sind kaum zu sehen, was wahrscheinlich auch keinen
Sinn macht, denn wenn einmal eines der geparkten Fietsen umkippt, folgen in der Regel, aufgrund der Enge auf den Parkplätzen sogleich mehrere Drahtesel nebenan
ebenfalls dem Gesetz der Schwerkraft. Ein solcher Domino-Effekt veranlasst den Verursacher des Um-Falls aber keineswegs sich umzusehen oder die Räder gar
aufzuheben. Fietsen haben liegend auf der Straße ja auch Platz. Alle Fietsen sind äußerst spartanisch ausgestattet, Beleuchtung ist meist nur rudimentär
vorhanden oder dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Gangschaltung, Felgen- oder gar Scheibenbremsen werden als überflüssiger Tand erachtet und finden nicht
statt, eine Rücktrittbremse ist das einzige Werkzeug zur Verzögerung. Wichtigstes Mobiliar an den Fietsen ist eine große, deutlich hörbare Klingel. Der brave deutsche
Gesetzeshüter würde beim Anblick eines solchen Gefährtes augenblicklich kollabieren. Oft sind auch Sonderaufbauten zu beobachten, am Häufigsten ein
Schubkarren-artiger Vorderbau, in dem man 2 oder 3 Kinder, den Einkauf für die ganze Woche oder schon mal einen Teil des Hausrats transportieren kann.
Bei unseren Spaziergängen durch die Gassen der Stadt liebe ich es in einem der kleinen Straßencafes zu verweilen. An jeder Ecke und in jeder Gasse
findet man diese kleinen Cafes, Restaurants, Bars oder Snack-Büdchen. Sie versprühen ein unglaubliches Flair, das Mobiliar ist alt und sieht auch so aus, in vielen
dieser Läden ist eine Katze zu Hause, die schon mal auf dem Tisch oder zumindest auf einem der Stühle schläft. Mal dienen zusammengenagelte Euro-Paletten als Theke,
oft ist die Küche offen einsehbar oder eben direkt an der Theke, die angebotenen Speisen liegen offen, manchmal sogar im Schaufenster rum, die Beamten der deutschen
Gewerbeaufsicht würden sich angesichts dieser Missstände kollektiv in den Grachten ertränken. Solche Cafes sind bei uns leider vollständig ausgestorben. Es ist einfach
ein Teil der Kultur hier, ohne die die Stadt wohl kaum solch eine Anziehungskraft hätte.
Nicht zu verwechseln sind die Eck-Cafes mit den Koffieshops, in denen allerlei Leckeres aus aller Welt für den geneigten Kenner der Realitätsflucht angeboten
wird. Diese Läden sind deutlich zu erkennen, an dem unverwechselbaren Geruch, der ihnen und den zahlreichen Geschäften, die ein buntes Allerlei an Sämereien, Leckereien
und Werkzeugen zum Anbau und Verzehr anbieten, entströmt. Immer wieder zieht auf den Straßen mal eine Wolke an einem vorbei, ich bin geneigt zu glauben, es gibt diesen
Duft auch als Parfum. Lollypops und Schokolade (Candelade, wie originell) hab ich gesehen. Vielleicht sind es aber auch nur die Typen, die ihren Urlaub in diesen
Koffieshops verbringen, die den Duft sozusagen mit sich tragen. Man sieht zu jeder Tages- und erst recht zur Nachtzeit Gestalten, mit Pupillen groß wie Tennisbälle,
bei denen man sicher gehen kann, dass sie spirituell unseren Planeten bereits verlassen haben. Guten Flug, Jungs und Mädels!
Uns gefällt es auch ohne diesen
Treibstoff hier in Amsterdam. Wohl nirgendwo auf der Welt findet man solch einen irren Mix der Kulturen vor solch umwerfender historischer Kulisse. Babylonisches
Sprachengewirr im Bühnenbild der Grachten und der wunderschönen, vielfältigen und vor allem liebevoll erhaltenen Häuschen. So sehr ich bedauert habe, das wir
aufgrund des miesen Wetters unsere Radtour abbrechen mussten, umso mehr genieße ich jede Stunde hier in dieser Stadt. Es ist ein Flair, das sich mit absolut
nichts vergleichen lässt, das muß man einfach selbst erlebt haben, erzählen oder beschreiben geht definitiv nicht!