Dann haben wir sie also wieder verlassen, unsere Ruheinsel. Nach einem ausgiebigen Frühstück hielten wir noch einen Plausch mit dem Pensionswirt, bei
dem er verriet, das er eigentlich Niederländer sei (das war eh nicht zu überhören). Als ich ihm erzählte, wo wir hinwollten, gab er mir noch ein paar Tipps,
die ich dankbar aufnahm. Dann flugs die Räder aus dem Garten geholt, wo sie über Nacht zwar nicht trocken, aber sicher standen, und dann ab Richtung Fähre.
Dort angekommen ging es sofort rauf und los. Das nennt man “Just in time”. Es war ja eine massives Tiefdruckgebiet angekündigt, welches sich aber bei uns
nicht so auswirken würde, wie im Rest des Landes, da wir keine tropischen Temperaturen hatten. Wobei 22°C hier schon nah an diese Formulierung heranreichen.
Der Himmel war teilweise bedeckt, aber die Sonne bahnte sich immer wieder ihren Weg durch die Wolken. Trotz aller Befürchtungen sollte es bis zum späten
Nachmittag so bleiben, für einen Sonnenbrand hat es wieder gereicht.
Angekommen in Norddeich machten wir uns also auf den Weg in Richtung Emden. Gestern war, für den Fall, dass es regnet die Alternative Zug erörtert worden,
der fährt direkt vom Fähranleger los. Aber keine Frage, das war Radl-Wetter. Also los, wieder auf die North Sea Cycle Route. Diese führte bis in das Städtchen
Norden und von dort weiter nach Marienhave, allerdings entlang der Straße. Und da uns das nicht gefällt, radelten wir Richtung Deich. Oder dahin, wo wir den Deich
vermuteten. Nicky und Benny waren heute auch recht gesprächig, am Radl neben mir wurde reichlich Konversation betrieben. Es ging lustig durchs Gemüse, durch
Alleen und oft stank es erbärmlich. Viele sagen ja: “Das ist die gute Landluft!”, aber meiner Meinung nach gibt es dafür nur ein einziges zutreffendes Wort…
Während der Fahrt haben wir gerätselt, was Misthaufen wohl auf ostfriesisch heißen mag. Wir haben uns auf “Schiet-Buckel” geeinigt. Hat jemand andere Vorschläge?
Aber die Radlerei hier ist wirklich superschön, es macht uns riesig Spaß!
Es gibt hier alle naselang Radweg-Wegweiser, aber irgendwie konnte ich die Metropolen Wirdum, Grisersum, Eilsum und Greetsiel nicht richtig auf der Karte einordnen
uns so ging uns ein wenig die Orientierung verloren. Bis wir die Wegweiser der NSCR wiederfanden. Denen sind wir nachgefahren, allerdings in die falsche Richtung.
Das haben wir nach wenigen Kilometern gemerkt, allerdings wollten wir auch nicht zurück, da diese Beschilderung wieder ins Niemandsland führen würde und Zick-Zack
waren wir gerade genug gefahren. So haben wir uns an der Sonne orientiert, unsere Himmelsrichtung gesucht und haben uns über Canhusen, Osterhusen von Hinte nach Emden
eingeschlichen. Der Plan war, unser Mittags-Fischbrötchen einzunehmen, einen Cappuccino zu schlürfen, die Fähre nach Delfzijl zu nehmen und nach Holland überzusetzen.
Aber so einfach war das nicht. Erst mal gab es kein Fischbrötchen, also haben wir den Cappuccino vorgezogen, in der Hoffnung im Hafen noch eine Fischbude zu finden.
Dann haben wir uns zum Fähranleger durchgefragt und unterwegs unser Fischbrötchen bekommen.
Dann allerdings kam die Ernüchterung. Der Fähranleger war ein verlassener Steg in einem völlig trostlosem Industriehafen. Halb leserliche Plakate gaben uns die
Zuversicht, das unser Schiffchen 15:20 Uhr ablegen würde. Als 15:30 Uhr immer noch kein Dampfer zu sehen war, inspizierten wir den Anleger noch mal genauer und
entdeckten ca. 10m weiter ein weiteres Plakat, welches uns verriet, das die Fährtage Mittwoch, Freitag und Samstag seien. Das hilft uns natürlich am Donnerstag
nicht unbedingt weiter. Nun war guter Rat teuer. Benny, Nicky und ihre Radlfahrerin wollten nicht zurück nach Emden, also beschlossen wir bis Petkum weiterzufahren,
über die Ems nach Ditzum überzusetzen und dort Quartier zu nehmen um morgen mit dem Rad weiter nach Delfzijl zu reisen. Es ging weiter durch den Hafen, durch
ein irrsinnig staubige Baustelle und dann entlang des Deiches. Dort hüpfte und eine völlig aufgelöste Frau entgegen, die mich fragte, ob ich ein Fernglas dabei
hätte. Sicher, ich nehm immer den ganzen Hausrat bei Radl-Ausflügen mit. Sie hätte im Watt zwei Seehunde entdeckt und denen müsse man helfen. Sie hat in die Ferne
gedeutet, ich hab nix gesehen. Ich hatte ja auch kein Fernglas. Also weiter auf dem Weg zur nächsten Fähre, aber plötzlich kam kalter Wind auf und über uns braute
sich Unheil zusammen. Was also tun? Wir standen bereits am Anleger und sahen die Fähre kommen, als wir uns entschlossen, doch auf dieser Seite zu bleiben und ein
Zimmer zu suchen. Unter Donner und Blitz auf die andere Seite zu fahren und zu hoffen, in dem Dörfchen ein Zimmer u finden, war uns zu heiß. Also zurück,
wir hatten ein paar hundert Meter vorher ein Hotel gesehen, welches Zimmer offerierte. Zunächst musste ich die Wirtin rausklingeln, die musterte mich von oben bis
unten und sagte, sie wäre restlos ausgebucht. Ja klar, warum hängt dann das Schild “Zimmer frei” draußen? Wenn ihr keine Radler wollt, dann schreibt das doch dran
an Eure Nobel-Tempel. Sie erklärte mir, ich würde auch auf der anderen Seite kein Zimmer finden, vermutlich sind die alle gleich “freundlich” zu Radlern. Also zurück
nach Emden und ein großes Hotel gesucht. Auf dem Weg in die Stadt haben wir noch an mehreren kleinen Hotels gehalten, aber alle haben uns abgewiesen. Diese Stadt hat
mich wohl heute gleich zweimal gesehen, zum ersten und zum letzten Mal. Schließlich haben wir unter Donner und Blitz, bei einsetzendem Starkregen ein Hotel gefunden.
Das Zimmer ist halb so groß wie auf Norderney, dafür doppelt so teuer. Dafür war die Pizza gut, die wir während unserer Stadtrunde noch verputzt haben. Man nennt
das dann wohl einen versöhnlichen Ausgang.
So werden wir morgen also erneut unser Glück mit der Fähre versuchen, denn morgen ist Freitag! Die weitergehende Tour
wurde während des Abendessens auch komplett umgekrempelt, es wurde also eine Alternative der Alternativ-Tour erstellt. Aufgrund der Tatsache, dass der Wetterbericht
für die nächsten Tage Regen voraussagt und die Tour durch Friesland (Nordseeküste) eher mager mit Sehenswürdigkeiten bestückt ist (um es mal wohlwollend zu formulieren),
haben wir beschlossen morgen von Delfzijl nach Groningen zu fahren, je nach Wetter mit der Bahn oder mit dem Rad. Dort haben wir gerade ein Hotel gebucht, um nicht wieder
unliebsame Überraschungen zu erleben. Am Samstag fahren wir dann mit dem Zug ans IJsselmeer und setzen dort unsere Tour fort. Schon wieder neue Pläne, wer es noch nicht
weiß, wir sind ein klein bisschen spontan!